Anzug mit Hosenträgern

Stil ist kein Synonym für den Zeitgeist

Der Beitrag von Anabel Schunke, dass Männer auf ihr Erscheinen achten sollten, veranlasst mich, ein paar Takte zum Thema zu schreiben. Ihr Artikel erschien bei der Jungen Freiheit (Link unten) und hat unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Leider droht damit ein sinnvolles Thema wegen persönlicher Befindlichkeiten kontaminiert zu werden. Denn viele Kommentatoren beziehen sich nicht auf das Thema, sondern arbeiten sich an Frau Schunke ab. Mir ist allerdings das Thema wichtig, weswegen ich es aufgreife.

Grundsätzlich ist der Appell, dass Männer auf ihre Erscheinung achten sollen, richtig. Der Anspruch beschränkt sich selbstredend nicht auf Männer, sondern gilt für Frauen ebenso. Doch wollen wir nicht vom Thema abweichen. Es ging ihr offenkundig – aus welchen Motiven auch immer – explizit um Männer. Und weil ich mich im Bereich der klassischen Herrenmode heimisch fühle und mir einbilde, was von Stil zu wissen, möchte ich mich auf diesen Bereich konzentrieren. Es soll also nur eine Randbemerkung bleiben, dass die Erscheinung vieler Frauen nicht seltener zu wünschen übrig lässt. 

Höflichkeit und sich gut zu kleiden, sind übrigens Ausdruck von Kultur und gutem Stil. Höflich zu sein, ist kein Ausdruck mangelnder Wehrhaftigkeit oder Männlichkeit, im Gegenteil. Ästhetik ist kein linkes oder weiches, sondern ein zutiefst rechtes Streben. Das ist mit ein Grund, warum ich mich aus innerster Überzeugung dafür interessiere. Und noch eine Vorbemerkung: Was für das analoge Leben gilt, gilt auch auf Social Media. Auch im Umgang mit anderen Nutzern sollte man sich in Höflichkeit üben, wenn Stil nicht nur eine Phrase sein soll. Das heißt nicht, dass man anderen nicht auch mal scharf begegnen darf. Dennoch sollte es unser aller Anspruch sein, das zu leben, was wir predigen und vorgeben zu sein.

Zuerst möchte ich eine Begrifflichkeit thematisieren, die mir unpassend scheint. Es geht – zumindest mir – nicht um Mode oder das, was man als momentan angesagt aufgetischt bekommt. Mode ist der Zeitgeist. Und der Zeitgeist ist kein Synonym für zeitlose Ästhetik. Mir geht es vielmehr um zeitgemäßen Stil und darum, immerwährender Ästhetik eine zeitgemäße Note zu verpassen. Modernität hat nur manchmal und allenthalben zufällig was mit Ästhetik zu tun, während zeitlose Klassiker bei zeitgemäßer Interpretation selten falsch und nahezu immer angemessen sind. Das beste Beispiel dafür ist der klassische Herrenanzug. Nun, auch der wurde aus modernistischen Gründen immer wieder verunstaltet. Aber er ist noch da und er war schon da, lange bevor utopisch überteuerte Klitzermarken ihre Gewinnabsichten über seinen eigentlichen Wert stellten.

Damit wären wir bei einem weiteren wichtigen Punkt. Der Preis für gute Kleidung und eine stilvolle Erscheinung wird oftmals falsch eingeschätzt. Das liegt vor allem daran, dass ständig suggeriert wird, schöne und gute Kleidung stünde mit oben genannten Klitzermarken in kausalem Zusammenhang. Die Erfahrung zeigt, dass der Preis mit der Größe des Logos des Herstellers steigt, wobei die Qualität oftmals nicht besser wird; im Gegenteil. Es ist fast immer dasselbe. Diejenigen, die die größten Logos vor sich hertragen, haben oftmals nicht den geringsten Schimmer von Formalitätsgraden, Stoffen, Verarbeitungsmethoden usw. usf. Wie sollten Sie also die Qualität und den Wert dieser Sachen beurteilen können? Wie bei allen Dingen muss man sich ein wenig mit der Materie beschäftigen, um ein Gefühl dafür zu entwickeln, was welchen Preis hat und wann man sein Geld sinnlos rausschmeißt. Liegt der Wert für einen ausdrücklich darin, Marken zu hofieren, ist das eine andere Sachlage. Dann geht es nicht mehr um den Faktor Stil und Ästhetik, sondern um ein anderes Phänomen. Für alle, die keine Zeit und Lust haben, sich mit Stoffen, Kombinationsmöglichkeiten und ähnlichen Fragen zu befassen, gibt es mich (zwinker).

Wir sollten bei allem Eifer aber nicht Gefahr laufen, unseren Anhängern über Gebühr in ihre private Lebensführung reinzupfuschen oder sie mit vermessener Arroganz belehren zu wollen. Das wird zu recht auf Ablehnung stoßen und dem an sich richtigen Ansinnen einen Bärendienst erweisen. Deswegen sollte das Thema nicht in einer lehrerhaften Art vorgetragen werden, sondern wir sollten mit gutem Beispiel vorangehen und bestenfalls ansteckend wirken, indem wir Lust auf das Thema machen; was übrigens auch für Politik gilt. Die nachhaltigste Art ist und bleibt das Wecken der Motivation und der Freude. Wer sich selbst gerne mit Dingen beschäftigt, der wird sie anders angehen, als wenn er dazu genötigt wird. Die Lust an gutem Stil ist dabei nicht auf eine bestimmte Form beschränkt. Der lockere Freizeitlook kann ebenso stilvoll sein, wie der gute Anzug. 

An der Stelle kommen wir zu der Frage, was eigentlich angemessen sei. Das ist schwer zu beantworten, weil Stil ebenso schwer zu fassen und zu beschreiben ist. Es gibt sicherlich so was wie einen allgemein guten Stil, den die meisten – ohne es beschreiben zu können – als schön empfinden würden. Das ist aber keine Frage von Cap vs. Hut oder Funktionsjacke vs. Sakko. Das ist tatsächlich eine Frage des Umstandes und der Erfordernis. Beides kann stilvoll sein, wenn es anlassbezogen ist. Ich liege zuhause nicht mit dem Sakko auf dem Sofa, wie ich mit Schlabberhose (die ich habe) nicht zu einer Veranstaltung fahre. In der Öffentlichkeit Schlabberlook zu tragen, ist womöglich auch Ausdruck einer Gesellschaft, die denkt, Social Media sei das reale Leben. Es wird immer weniger zwischen Intimsphäre und dem öffentlichen Auftreten unterschieden. Es scheint beinahe nichts mehr wirklich intim oder persönlich zu sein, was auch am Phänomen OnlyFans und dergleichen zu erkennen ist. Der Drang, sich selbst zu verwirklichen und individualistisch zu sein, treibt viele dazu, immer absurdere und clowneskere Erscheinungsformen an den Tag zu legen. Womöglich ist das ein ursächliches Problem, das dieser Thematik zu Grunde liegt. Dass nicht mehr ausreichend getrennt werden kann, was in die eigenen vier Wände und was in die Öffentlichkeit gehört. Entsprechend oft kommt es zu Stilfehlern in der Matrix.

Wie immer gäbe es noch unzählige Aspekte zu nennen und ich werde sicher noch einige Texte zum Thema schreiben. Heute ging es mir erst mal um einen groben und zugegebenermaßen wenig strukturierten – weil spontanen – Text, den ich aufgeschrieben haben wollte, bevor er in Vergessenheit gerät. In zukünftigen Texten werde ich gerne noch auf konkretere Fragen eingehen, die ihr jederzeit einreichen könnt. 

Glück auf!

Hier findet ihr den – leider kostenpflichtigen – Artikel bei der JF:
https://jungefreiheit.de/kultur/2024/mach-dich-schick-deutscher-mann/

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Wir brauchen zumindest eine deutsche FPÖ

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